DIE GROßGRUPPE DES BETREUTEN WOHNENS UND DIE LEBENSNETZWERKGRUPPE

der Umgang mit Verschmelzung , Fragmentierung und Spaltung innerhalb des Großgruppen – im Setting von vier betreuten Wohngemeinschaften als – einer therapeutischen Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde – Möglichkeiten des therapeutischen Arbeitens –

Andreas von Wallenberg Pachaly., Freie gemeinnützige Beratungsstelle für Psychotherapie

Einleitung

Der deutsche Emigrant und Gruppenanalytiker Foulkes , welcher die Fähigkeit hatte , sich selbst nicht zum Spielball der Geschichte werden zu lassen , sondern selbst Geschichte machte , schrieb 1948 ,daß es die Aufgabe des Therapeuten sei, im Lebensraum des Patienten zu arbeiten .

Stewart Whiteley (1996), über zwei Jahrzehnte Leiter des von Maxwell Jones gegründeten Henderson Hospitals formulierte es kürzlich so :“ Die gesamten Lebensaktivitäten des Patienten tragen zu einem Verstehen seiner Psycho-pathologie, und ich füge hinzu „seiner konstruktiven Möglichkeiten “ bei. Sie müssen wahrgenommen und in die schützende Begleitung eines einzigen therapeutischen Teams gebracht werden und nicht aufgespalten werden auf verschiedene den Patienten verwaltende Autoritäten.

Dieser Lebensraum des Patienten , als Lebens-Netzwerk-Gruppe verstanden , wird uns den Schlüssel zu seinem Verständnis geben . Es eröffnet uns die Möglichkeit, zwischenmenschliche Bedingungen zu schaffen , die eine psychische Entwicklung fördern und ein annehmendes, haltendes und wachstumsförderndes Beziehungsgeflecht, Matrix zu bilden. Wir sollten uns bewußt sein, daß diese Matrix ebenso Teil des Lebensraums des therapeutisch Arbeitenden ist.

Im Verlauf der neueren Entwicklung der Praxis des Betreuten Wohnens als „Therapeutische Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde „, fanden wir, daß das Arbeiten mit der Großgruppe und der Lebens-Netzwerk-Gruppe neue therapeu- tische Möglichkeiten eröffnet hat. Ich möchte unsere Erfahrungen zur Diskussion stellen, bezüglich Großgruppenprozessen und Lebens-Netzwerk-Prozessen als ein Spiegel der inneren Objekt- und Teil-Objekt-Beziehungen, und insbesondere im Rahmen des heutigen Themas der Psychosenpsychotherapie bedeutsam als ein Spiegel der frühen Ich-Organisationen des psychotischen Menschen und ihrem Vorläufer, des Gruppen-Ichs, diesem Nicht-Selbst, dessen Existenz der Bildung einer Ich-Strukture von Ich und Über-Ich vorangeht. Ich möchte zur Diskussion stellen, wie dies sichtbar wird, und wie dieses Verständnis, angewandt auf unsere klinische Praxis der „Therapeutischen Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde „, weitere therapeutische Möglichkeiten für die Behandlung von psychotischen und Borderline-Patienten eröffnet.

Das Setting

Ich möchte meinem Vortrag eine kurze Zsammenfassung des Settings des Betreuten Wohnens als therapeutische Gemeinschaft in der Gemeinde voranstellen.

Es gibt vier Patientengruppen von jeweils acht Patienten beider Geschlechter. Jede Patientengruppe lebt in einem Haus oder einer Wohnung. Die Diagnosen der Patienten reichen von schweren Borderline-Störungen, über extreme Angstzustände bis zu psychotisch oder schizophren-reagierenden Patienten. Die Mehrheit der Patienten hatte zuvor eine stationäre Behandlung, etwa ein fünftel der Patienten hatte nur ambulante Behandlung. Etwa 75% nehmen zur Zeit der Aufnahme Psychopharmaka. Die Dauer ihres Wohnens beträgt 3 Jahre, eine Verlängerung um bis zu zwei Jahren ist möglich, wenn es therapeutisch wertvoll erscheint.

Graph 1

Die Therapeutische Gemeinschaft als solche ruht auf vier Pfeilern:

1.) Jeder Patient muß an zwei verschiedenen Gruppen teilnehmen. Eine findet in der Wohnung statt und betrifft organisatorische Dinge des Zusammenlebens, die andere findet außerhalb , im Büro der Beratungsstelle statt, die der „therapeu-tischen Gemeinschaft in der Gemeinde“ den institutionellen, schützenden Schirm bietet. Diese gruppendynamische Gruppensitzung sorgt sich um die emotionalen Bedürfnisse der Bewohner. Die zwischenmenschliche Matrix wird wahrgenom-men und es wird fortlaufend versucht, unbewußte Dynamiken bewußt zu machen. Ein konstantes Ins-Blickfeld-Nehmen der Postion, die jeder Patient in der Wohn-gruppe einnimmt, wird durchgeführt. Motivierende Arbeit wird getan, Konflikte aller Art, hauptsächlich das Hier und Jetzt betreffend, zwischen Patient und Institution oder der äußeren Welt werden diskutiert, Regelbrechungen werden wahrgenommen und gegebenenfalls gelöst.

2.) Jeder Patient ist verpflichtet einer Tagesstruktur nachzugehen, entweder in Form von Arbeit, Ausbildung, Tagesklinik, Betreutem Arbeiten etc.. Zu Beginn ist es natürlich zeitweise eine harte Aufgabe für die Sozialarbeiter, die Patienten zu unterstützen, eine Tagesstruktur zu finden. Dieser Prozess kann erfahrungs-gemäß länger als ein Jahr dauern und wird durch die sogg. Bewerbungsgruppe getragen, die wöchentlich drei mal um 8:30 Uhr tagt.

3.) Jeder Patient verpflichtet sich, eine Einzel- oder Gruppenpsychotherapie bei einem Therapeuten entsprechend seinen Bedürfnissen zu machen. Bedingung ist, daß dieser Therapeut zu einer kontinuierlichen offenen Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des Betreuten Wohnens willens ist, wie dies im stationären Setting ja selbstverständlich ist.

4.) Alle zwei Wochen nehmen alle Wohngruppen, die Sozialarbeiter und die therapeutischen Mitarbeiter des Vorstandes an einer Großgruppe teil, die die äußere Grenze der therapeutischen Gemeinscheft innerhalb der Gemeinde bildet.

Die Wohnengruppen werden durch Sozialpädagogen, -arbeiter betreut, die gruppendynamische Erfahrung haben und an einer ständigen Supervision teilnehmen und die die oben genannten Gruppen leiten. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die zahlreichen Lern- und Lebensfelder des Patienten (die Lebens-Netzwerk-Gruppe, wie später definiert wird) und die abgespaltenen oder fragmentierten Erfahrungen zu koordinieren und zu integrieren. Eine andere wichtige Aufgabe besteht darin, transparent zu machen, wie jeder Patient seine grundlegenden Konflikte reinszeniert und die Gruppe darin zu unterstützen, eine Atmosphäre der Neugierde, der Anteilnahme und des Nachfragens zu schaffen. Indem die Patienten motiviert werden, an einer Einzel- oder Gruppentherapie teilzunehmen wird die Grundlage dafür erweitert, die den Patient befähigt sich in die Gesellschaft zu integrieren; ob dies bedeutet, daß er eine Ausbildung macht, arbeitet oder beschützt arbeitet, Paarbeziehungen eingehen kann oder später in einer freien Wohngemeinschaft zu leben.

Natürlich gibt es eine Vielzahl von betreuten Wohngemeinschaften in Deutsch-land, doch was den Wandel des Paradigmas unserer Meinung nach ausmacht, ist:

  1. Wir nutzen die Gruppe als eine Gemeinschaft, die eine Leben-Arbeiten-Ler-nen-Institution darstellt und nutzen die Gruppe und die Großgruppe als thera-peutische Kultur.

  2. Wir fördern eine Kultur des kontinuierlichen Nachfragens innerhalb der Gruppe und

  3. wir versuchen gruppendynamisches und psychodynamisches Wissen und Zugang anzuwenden, um sowohl die Gruppensituation als auch die des einzelnen Patienten zu verstehen.

  4. Wir versuchen die verschiedenen abgespaltenen und fragmentierten Erfahrungen, die der Patient in den unterschiedlichen Bereichen wie Leben, Arbeit, Psychotherapie macht, zusammenzubringen. (Die Arbeit mit der Großgruppe und der Lebens-Netzwerk-Gruppe, wie ich sie heute darstellen werde, ist diesbezüglich von großer Wichtigkeit.)

  5. Um in der Lage zu sein, dies alles zu tun, bemühen wir uns klare Grenzen bezüglich Zeit, Ort, Rollen zu setzen, innerhalb derer ein Prozeß der Integration überhaupt möglich wird .

  6. Wir verfolgen das Ziel grundlegender struktureller Persönlichkeitsveränderung bei sogenannten psychiatrischen Patienten, die an Schizophrenie, Psychosen oder schweren Borderline-Zuständen leiden.

  7. Und wir halten an einem integrativen Gruppenkonzept fest, daß absichtlich weniger schwer und schwer kranke Patienten verschiedener diagnostischer Kategorien kombiniert.

Seine theoretischen Wurzeln hat es in den Arbeiten von Jones, Winnicott, Ammon, etc..

Der institutionale Rahmen derdas konzeptuelle und persönliche Rahmenwerk für diese Arbeit geschaffen hat ist die Freie Gemeinnützige Beratungsstelle für Psychotherapie e.V..

Definition

Der eigentliche Großgruppe, welche vierzehntägig tagt gehören 25 – 35 Personen an , einschließlich der Patienten , Mitarbeiter und Leiter , alle sind therapeutisch geschult. Einzelkontakt ist zu jeder Zeit möglich.

Graph 2

Von dieser möchte ich die Lebens-Netzwerk-Gruppe unterscheiden, die ich begreife und konzeptionalisiere als das gesamte soziale Netzwerk von Beziehungen, in dem der einzelne Patient lebt. Bedeutsam für das weitere Vorgehen ist die Erkenntnis, daß innerhalb der Lebens-Netwerk-Gruppe die selben Phänomene wie in Grossgruppen, zum Teil noch verstärkt auftreten.

Graph 3

Die Lebens-Netzwerk-Gruppe beinhaltet die Wohngruppe des Patienten, die Mit-arbeiter unserer Institution, die Psychiater in ihren privaten Praxen, die unabhängig arbeitenden Einzel- oder Gruppentherapeuten, die Arbeitskollegen oder sein beschützter Arbeitsplatz, Familie, Freunde und in Zeiten einer akuten Krise im Krankenhaus, das therapeutische Personal des Krankenhauses und die Mitarbeiter des Landschaftsverbandes und des örtlichen Sozialamtes, die die Finanzierung des betreuten Wohnens teilweise ermöglichen.

Masse und Ich

Wir sind gewohnt in der Kleingruppe das Familienmodel zu verwenden mit Vater, Mutter und Geschwister. Fuchs schuf das Konzept der Matrix der bewußten und unbewußten Kommunikation in der Gruppe um die spezifischen Merkmale einer Kleingruppe zu beschreiben. Bion unterscheidet zwischen einer Arbeitsgruppe und einer Grundannahmen-Gruppe. Die Grundannahmen-Gruppe ist im Zustand des Widerstandes, wo sie nicht an ihrer Aufgabe arbeitet, sondern sie beschäftigt sich mit ubw. Phantasien um nicht arbeiten zu müssen. Phantasien von Abhängigkeit und Allmacht, von Verfolgt-Werden und Flucht oder einer messianischen Heilserwartung. Die analytische Gruppe hat die Aufgabe ihr eigenes Unbewußtes zu erforschen. Sie osziliert zwischen Regression und deren Reflektion.

Freud lieferte uns in Anlehnung an le Bon, der über die Masse in der französi-schen Revolution geschrieben hatte, ein Konzept der Masse als eine Mutter-Kind-Beziehung, geprägt von Abhängigkeit und Idealisierung. Eine Masse, ohne Aufgabe und Struktur wäre eine Grundannahmengruppe, die in extremer Abhän-gigkeit von ihrem Führer und durch vorherrschende paranoide Ängste charakte-risiert ist. Klare Strukturen und Arbeitsaufgaben können diese Ängste lindern.

Die meisten Beiträge zum Verständnis von Massen kamen übrigens von Philo-sophen, Schriftstellern, Soziologen, Historikern wie Ortega y Gasset, Riesmann, Bloch, Canetti, Psychoanalytiker sind Mitscherlich, Richter, Kernberg.

Die Großgruppe kann als ein Bindeglied zwischen Kleingruppe und Masse, zwi-schen Massenpsychologie und Gruppenanalyse gesehen werden. Shaked faßte 1996 die in der Literatur zusammengetragenen Auswirkungen der Großgruppe auf ihre Mitglieder sehr gut zusammen: Offensichtlich ist eine direkte Kommu-nikation unter den Gruppenmitgliedern bei 35 bis 100 Teilnehmern sehr er-schwert. Die Unfähigkeit des Einzelnen eine persönliche Beziehung zu allen anderen Gruppenmitgliedern herzustellen wird in der Anfangssituation als bedrohlich erlebt. Die Teilnehmer fühlen sich in ihrer sozialen Kompetenz eingeschränkt. Ihre Fähigkeit zu denken und zu formulieren ist reduziert. Das anfängliche Schweigen ist von einem Gefühl der Lähmung begleitet. Die verbalen Äußerungen sind spärlich und beziehen sich oft auf diffuse Ängste vor Identitätsverlust und auf das Gefühle von Leere, Isolation und Unfreiheit. Die Wahrnehmung von Zeit und Raum ist beeinträchtigt. Vernich-tungsängste tauchen auf. Die konzentrische Sitzordnung mit anderen Teilnehmern im Nacken fördert die Entstehung von paranoiden Ängsten und die Abwehrme-chanismen von Projektion und projektiver Identifikation setzen sich durch. Dies wurde häufig in der Literatur diskutiert, vor kurzem von Kernberg in seinem Vortrag: Bürokratie und Ideologie als soziale Abwehr gegen paranoide Aggression (1995).

Die Angst vor Nähe und Intimität führt dazu, daß die innere Sitzreihe meist anfänglich unbesetzt bleibt.Damit drückt die Großgruppe symbolisch die innere Leere und die Abwesenheit von Geborgenheit aus, (Abwesenheit der Brust, Bion vergleichbar). Es entwickeln sich stark kompensatorische Allmachtsphantasien, Verschmelzungswünsche wechseln mit Angst von einer archaischen Mutter verschlungen zu werden. Es entstehen Wünsche nach totaler Versorgung und Geborgenheit, und nach Freiheit von Mangel und Verantwortung.

Große Gruppen und Massen sind besonders leicht zugänglich für narzistische Größenphantasien. Diese Allmachtsphantasien bieten Sicherheit durch die Selbsterhöhung der Gruppe, Schutz gegen Bedrohungen und Kränkungen von Innen und Außen, gegen Trennungen und den Tod und erzeugen die Illusion von Zeitlosigkeit und Unsterblichkeit. Das können wir in analytischen Großgruppen wie in Massen beobachten.

Insgesamt finden wir in der Grossgruppe Zustände, die eher an archaische Gesellschaften erinnern. Die Beziehungen gestalten sich wie in einem Clan, Freuds Urhorde mit dem tyrannischen Urvater der seinen Söhnen die Inbesitznahme seiner Frauen verbietet und von den Söhnen umgebracht wird. Von Angst und Reue überwältigt verzehren diese den getöteten Vater und introjezieren seine Verbote als die zwei großen gesellschaftlichen Tabus von Mord und Inzest.

Der Großgruppenleiter, von dem die Großgruppe extrem Abhängig ist wird erlebt als Repräsentant der gesellschaftlichen Normen und seine Absetzung verheißt Freiheit von Unterdrückung und sexuelle Freizügigkeit. Gleichzeitig identifizieren sich die Gruppenmitglieder mit ihm und seiner Autorität und lieben ihn auf ambivalente Weise. Die Großgruppe löst diesen Ambivalenzkonflikt auf ihre Art. Der Leiter wird zwar bewundert, aber bei jedem Fehltritt angegriffen und ver-höhnt. Oder aber ein Sündenbock wird gesucht, der an Stelle des Leiters herab-gesetzt und blossgestellt wird.

Da der Leiter der Großgruppe die Bedürfnisse nach Schutz und Versorgung nicht befriedigt bieten sich Pseudo-Alternativ-Führer an, welche die Gruppe weg von einer anstrengenden aber realitätsgerechten Lösung ihrer Schwierigkeiten und hin zu einer Regression zu einer primitiven Form der Triebbefriedigung verführen. Solche Entwicklungen kennen wir auch aus dem politischen Bereich zur Genüge, welche sich stets Sündenböcke bedienen.

Die analytische Großgruppe ist eine Arbeitsgruppe, die nur durch die analytische Grundregel strukturiert ist. In ihr haben wir die Möglichkeiten diese Phänomene und Bewußtseinszustände zu reflektieren und versuchen sie zu integrieren anstatt uszuagieren.

Die zu untersuchende Hypothese

Die folgende Hypothese ist der Versuch, die Diskussion unseres Verständnisses der Großgruppenprozesse zu fördern und herauszufordern und die Bedingungen zu entdecken, unter denen diese Prozesse konstruktiv und heilend wirken. Es ist ebenso eine Antwort auf die Diskussion Kernbergs über die spaltende Kraft von Großgruppenprozessen in: „Projektive Identifikation, Gegenübertragung und stationäre Behandlung.“ (1993) Die Hypothesen, die ich prüfen möchte, sind:

Graph 4

  1. a) Großgruppendynamiken und noch mehr Dynamiken von Lebens-Netzwerk-Gruppen neigen dazu, als ein bedrohlicher, verfolgender Hintergrund erlebt zu werden, der Projektionen, projektive Identifikationen und Spaltung im Fall von Borderline-Persönlichkeiten und Fragmentierung und Verschmelzung bei schizophren-strukturierten Persönlichkeiten hervorruft.

  2. b) Wir können parallele Prozesse innerhalb der Großgruppendynamiken und innerhalb des psychotischen, prä-ödipalen Kern der individuellen Persönlichkeit beobachten (Blégé, 1991).

  3. c) Wenn wir als einflußreiche, therapeutisch arbeitende Mitglieder einer Lebens-Netzwerk-Gruppe Erfolg haben , deren Dynamik zu einem haltenden Hintergrund zu wandeln, der Toleranz, Respekt, Kommunikation, Halten und Aufnehmen fördert, werden abgespaltene und fragmentierte Gefühle und persönliche Aspekte sichtbar werden, sie können wahrgenommen werden, aussprechbar und damit durcharbeitbar und letztlich integrierbar werden. Ein Gefühl der Sicherheit, Mei-ster seines eigenen Schicksals zu werden, überlebensfähig zu werden und die Katastrophe, die das Selbst erfahren hat hinter sich zu lassen, wächst beim Patienten.

  4. d) Dieses Gefühle von Sicherheit und das Gefühl die Welt selber erschaffen zu haben, die Brust selber geschaffen zu haben, wie Winnicott es beschrieb, wächst im therapeutischen Team ebenso wie im Patienten. Beider Ich wird immer fähiger, Gefühle der Impotenz und Hilflosigkeit angesichts der „Todeslandschaften“ (Benedetti , 1993) des Selbst des Patienten zu tolerieren.

Diagnostisches Potential der Lebens-Netzwerk-Gruppe und der Großgruppe der therapeutischen Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde

Peter v.d. Linden (1994) sieht in der Großgruppe die Möglichkeit internalisierte zwischenmenschliche und Gruppenkonflikte zum tragen kommen zu lassen, ver-steinerte traumatische Szenen des Dort und Damals. De Mare beschreibt die Großgruppe als ein Unbewußtes, das lernt sich auszudrücken, in einen Dialog einzutreten. Unsere Aufgabe ist es, ihm zuzuhören .

Die unstrukturierte Lebensnetzwerkgruppe lädt dazu ein, existentielle Ängste des Dort und Damals wieder aufleben zu lassen, Vernichtungsängste und Ängste verschlungen zu werden. Unstrukturiert in dem Sinne, daß die zwischenmensch-liche und die Kommunikation zwischen Gruppen nicht ritualisiert oder reguliert ist, obwohl jeder irgendwie von der Existenz des Anderen weiß, da er über dritte von ihm gehört hat . Diese Ängste werden im Patienten wachgerufen, aber auch bei den therapeutischen Mitarbeitern der Lebens-Netzwerk-Gruppe.

Hervorstechend in beiden Großgruppensituationen sind die Abwehrmechanismus der Verschmelzung , Fragmentierung und Spaltung. Ich habe beobachtet, wie borderline und psychotische Abwehrmechanismen regelmäßig auftreten, wenn Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstruktur und psychotisch strukturierte Patienten Teil der Lebens-Netzwerk-Gruppe sind.

Graph 5

Psychotische Patienten schwanken zwischen Verschmelzung und Autismus und reagieren mit Fragmentierung auf eine Welt, die sie als überrollend erleben. Abwehrmechanismen von Verschmelzung, autistischem Rückzug und Fragmentierung versuchen ein Ich zu schützen, welches existentiell bedroht wird durch Forderungen nach Nähe, Distanz und innere Bedürfnisse.

Borderline-Patienten, nehmen unbewußt Zuflucht zu Spalten, als ein Weg, mit der eigenen Unfähigkeit mit Zweideutigkeiten, Zweifeln und offenen Fragen in Beziehungen zurechtzukommen, sie zu tolerieren und damit umzugehen. Sie fin-den Trost und Zuflucht in ihrem Erleben der Welt als ein Ort dauernden Kampfes zwischen Gut und Böse.

Von einem entwicklungspsychologischen, psychogenetischen und gruppen-genetischen Gesichtspunkt aus gehen Gefühle, die in der Großgruppe erlebt werden, zurück auf einen Zeitpunkt im Leben, in dem die Differenzierung zwischen Ich und Du, der Welt und dem Selbst noch nicht entwickelt war.

Die Entwicklung einer eigenen Identität ist in einem Anfangsstadium und Gefühle von Allmacht wechseln sich ab mit Gefühlen völliger Hilflosigkeit und Impotenz. Projektive Identifikation ist in dieser Phase ein wichtiger Bestandteil der Kom-munikation der Mutter mit ihrem Kind und Verfolgungsängste wechseln mit Gefühlen von ozeanischer Glückseligkeit, völligem Getragen-Werden und ekstatischer Verschmelzung.

Das Ich und sein Vorläufer das Co-Selbst

Am Anfang unserer psychischen Existenz sind wir nicht selbst, wir haben kein Ich. Aber wer und was sind wir. Bion sagte dazu, wir sind Gruppe, ein Psychotiker ist Gruppe und vom evolutionären Standpunkt aus betrachtet sind wir am Anfang Gruppe. Anfangs haben wir ein Nicht-Selbst, ein Selbst, das zwischen Ich und Du, zwischen Subjekt und Objekt nicht unterschieden ist. Auf dieser Ebene können wir von der Objekt-Beziehungstheorie keinen Gebrauch machen.

Das Neugeborene und bereits der Embryo in den letzten Monaten seiner intra-uterinen Existenz hat eine spezielle Struktur, ein Gruppenselbst, von der Israeli-schen Gruppenforscherin Abraham als Co-Selbst bezeichnet.

Graph 6

Es bezeichnet den Teil des Ichs, dem es möglich ist Stimmungen und Spannungen seiner Gruppen-umgebung wahrzunehmen und darauf zu reagieren ohne anfangs selbst diese entscheidend gestalten zu können. Beobachten können wir dieses Co-Selbst in Gruppensituationen in denen Mütter ihre Babies mit in die gruppentherapeuti-sche Sitzung bringen und wir erleben, wie das Baby sensible auf die umgebende Gruppe reagiert.

Die Großgruppe scheint für unsere spätere psychische Struktur von Ich und Über-Ich sehr bedrohlich zu sein. Das Co-selbst wiederum scheint in seiner Gefühlslage und Wahrnehmungsfäigkeit sehr abhängig zu sein von den Erfahrungen, die es gemacht hat, was wir am Anfang empfunden und gespührt haben. Und so fühlen wir in Großgruppen gemäß unseren frühesten Erfahrungen manchmal ein Gutes Gefühl und andere wiederum ein schlechtes, je nach der Entwicklung des Co-selbst.

Das Co-Selbst besitzt auch ein Körperbild, eine eigene Struktur, die keine Regression darstellt. Im Liebesakt können wir diese Struktur erleben, in der keine Trennung zwischen Ich und Du besteht. Diese funktionale Struktur bleibt unser ganzes Leben über bestehen. Es ist der Teil unseres Selbst, der es uns ermöglicht in Gruppen zu sein, zum Guten und zum Schlechten.

Die Gruppe wiederum, und insbesondere die Großgruppe ist ein sehr mächtiges Instrument, die tiefsten Schichten der menschlichen Psyche zu berühren. Hier tut sich die Chance zu Veränderung auf. Das Co-selbst lebt dabei nicht Konflikte sondern Stimmungen, welche sehr schnell wechseln können.

Die psychotische Ich- oder besser Selbst-Organisation ist nun die Folge einer Störung dieser frühen Entwick-lungszeit von Co-Selbst und Ich-Entwicklung. Es ist an diesem Punkt, wo bereits eine Störung eintritt und wo wir eine arretierte Entwicklung, so sie sich denn in der Lebensnetzwerkgruppe in Szene setzt wahrnehmen können, tragen (containen) können und die daraus resultierenden Konflikt interpretieren bzw. interpretative interagieren können.

De Maré, Schüler von Bion und Rickman, Mitarbeiter der Tavistockklinik und des Londoner psychoanalytischen Instituts beschreibt, daß die Großgruppe auf der einen Seite als eine verfolgende Umgebung erlebt wird, die sich dem Einzelnen aufdrängt, der sich nicht frei fühlt, seine nicht durchdachten Gedanken spontan zu äußern und auf der anderen Seite als eine Umgebung, die das Gefühl des Nicht-Dazu-Gehörens vermittelt, welches ein Gefühl der Freiheit hervorbringt, begleitet von extremer Panik angesichts der als übermächtig erlebten Verlassenheit. Lassen Sie uns erinnern , daß dies der psychotischen Reaktion eines Patienten ähnelt, der sich zwischen Verschmelzung auf der einen und Spaltung und Fragmentierung auf der anderen Seite bewegt.

Wenn wir de Maré folgen, der vorgeschlagen hat, die schizophrene Organisation als einen Großgruppenprozeß zu verstehen, der an einem frühen, chaotischen und vernichtendem Punkt stehengeblieben ist, können wir die Lebens-Netzwerk-Gruppen-Therapie als einen Zugang zur Therapie der psychotischen und schizo-phrenen Organisation verstehen. Wenn es uns gelingt, diesen erstarrten Prozeß der Fragmentierung und Verschmelzung, der sich in der Großgruppe in Szene setzt, in Bewegung zu bringen, bewirken wir für und mit dem Patienten ein gewaltiges Stück an integrativer und motivierender Arbeit.

Wir können uns der Idee paralleler Prozesse bedienen, um die gegenseitige Abhängigkeit der Strukturierung der Lebens-Netzwerk-Gruppe und der psycho-tischen Welt des Patienten zu visualisieren. Natürlich ist anders herum eine psychotisch reagierende Lebens-Netzwerk-Gruppe angetan, den Patienten zu veranlassen psychotisch zu reagieren. Wir können also eine gegenseitige Abhängigkeit beobachten.

Wenn wir, als einflußreiche Mitglieder der Lebens-Netzwerk-Gruppe erfolgreich sind, mit den destruktiven kommunikativen Spaltungen des Netzwerkes so umzu-gehen, daß wir sie als einen Ausdruck der vorherrschender Abwehrorganisation des Patienten, als einen Ausdruck eines tieferliegenden internalisierten Konfliktes des vorsprachlichen Stadiums und als einen Ausdruck entwicklungsmäßiger Defizite und Ich-Störungen sehen können, dann gibt uns dieses Verstehen wichtige und beeindruckend starke Einsichten für ein tieferes Verstehen des existentiellen Dilemma des Patienten, der traumatischen Szenerie, die er in sich trägt und die er noch nicht hinter sich lassen konnte, um frei zu werden, sein eigenes Leben leben zu leben.

Das folgende klinische Beispiel einer schweren Borderline-Persönlichkeit mit einer langen Geschichte von Selbstverletzung , die wegen einem lebensbedrohlichen Blutverlust im Krankenhaus war, zeigt, wie die Lebensnetzwerkgruppe dem Patienten Halt geben kann.

„Die Patientin war während ihrer Zeit in der Wohngemeinschaft sehr schüchtern und zurück-gezogen. Sie hatte eine lange Geschichte der Selbstverletzungen und ihr Versuch zu studieren, war gescheitert, weil sie die vielen Menschen auf dem Campus nicht aushalten konnte. Sie war die Tochter eines ehemaligen Priesters, der dann ihre Mutter geheiratet hat. Er litt und schämte sich dafür aus dem Priestertum so schändlich ausgeschlossen worden zu sein.

Am Besuchertag einer zeitbegrenzten therapeutischen Gemeinschaft erwartete sie ihre Eltern zu Besuch. Doch obwohl diese versprochen hatten zu kommen, kamen sie nicht, sagten auch nicht weshalb. Die Patientin fühlte sich sehr bedrückt und erlebte eine schwere Entwertung ihrer Person, besonders weil sie stolz auf ihre Leistungen in der Gemeinschaft war.

Zwei Wochen später hatte ihre Einzeltherapeutin versprochen, an unserer Supervisionsgruppe teilzunehmen, um Informationen über die Patientin auszutauschen. Natürlich – wer nicht kam, war ihre Therapeutin, die ich bislang nur vom telephonieren kannte. Die Patientin war sehr daran interessiert gewesen, daß ein solcher Austausch stattfindet und war natürlich sehr niedergeschlagen und erlebte dies, als eine Wiederholung der Situation mit den Eltern. Ich selbst verfluchte gewissermaßen die Einzeltherapeutin und fühlte mich in meiner Arbeit sehr entwertet nachdem mir einer der Sozialarbeiter erzählte, daß die Therapeutin die Therapeutische Gemeinschaft während eines Telefongesprächs entwertend als Ferienfreizeit bezeichnet hatte. Ich konnte nicht anders , als dies als eine Inszenierung zu erkennen. Nach drei Wochen schließlich entschied ich mich die Therapeutin anzurufen und wir hatten ein sehr offenes und fruchtvolles Gespräch, wo wir unsere Gefühle und Beobachtungen betreffend der Patientin und uns gegenseitig teilen konnten und sie anschließend an unserer Supervisionsgruppe teilnahm. Dies wiederum führte zu einen deutlichen Erleichterung bei der Patientin, die nun ungezwungener und selbstsicherer in dieser Welt zu sein schien.

Die Großgruppe besteht aus verschiedenen Untergruppen und eröffnet einen Raum zu erkennen, wie sich die verschiedenen Untergruppen innerhalb der Großgruppe verhalten, und ihren Entwicklungsstand festzustellen.

Z.B.nimmt eine Wohngruppe von 8 Patienten eine sehr verschlossene, von verfolgenden Ängsten beladene Haltung ein. Alle Äußerungen wurden als Betrügen der Gruppe erlebt.

Eine andere Wohngruppe strebt nach narzistischer Befriedigung indem sie immer und immer wieder scheinbar sehr dringende Konflikte präsentiert, um die Aufmerksmkeit der Großgruppe zu erlangen, und die immer hungrige Gruppe repräsentiert. Wir könnten ebenso die fragmentierte, die symbiotische Gruppe, die zwanghaft-besessene Gruppe etc. sehen.

In der Großgruppe sind unsere Gegenübertragungsgefühle von großer Wichtigkeit um die Position eines Patienten in der Gruppe zu diagnostizieren und gegebenen-falls auch sofort zu intervenieren. Z.B. wenn ich die ein Gefühl von Sicherheit empfinde und Kontakt zu den Bewohnern der Wohngemeinschaften, konnte ich im Sinne des Figur-Hintergrundbild-Phänomens schwarze Löcher, nichtexistie-rende Teilnehmer empfinden und dies verbalisieren. Erfahrungsgemäß sind dies oft die am selbstmordgefärdetsten Menschen.

Das heilende Potential der Lebens-Netzwerk-Gruppe und der eigentlichen Großgruppe

Kernberg (1995) beschreibt die Paranoiagenesis in Institutionen als ein Ausdruck von zerstörerischen Prozessen in Netzwerk-Gruppen. Aber gegen Institutionen, die große Netzwerk-Gruppen darstellen, muß man sich nicht nur schützen, sie können ebensogut Patienten, die sich sehr unsicher fühlen Sicherheit geben.

Wenn wir erfolgreich einen positiven Lebens-Netzwerk-Gruppen-Hintergrund schaffen, kann ein positiver, Sicherheit gebender, Wachstum fördernder Effekt beobachtet werden.

Graph 7

Die Kunst des Leitens der Lebens-Netzwerk-Gruppe scheint darin zu bestehen, eine wohlwollend annehmende und beruhigende (hier bin ich, hier darf ich sein) Kommunikation zu pflegen, die eine Kultur des Verstehens von kommunikativen Schwierigkeiten als ein Ausdruck der Schwierigkeiten der Patienten und den Grenzen der einzelnen Mitarbeiter begünstigt. Dies wird im günstigen Fall zur Folge haben, daß die Lebens-Netzwerk-Gruppe eine beobachtende Fähigkeit entwickelt, welche es ihr ermöglicht

  1. dialogfähig zu werden und

  2. sich und ihre Gefühle zu beobachten und sich darüber auszutauschen

  3. und die befürchtete Zerstörung, bzw. Vernichtung zu überleben.

Der Informationsaustausch mit dem Einzel- oder Gruppentherapeuten und dem zuständigem Psychiater im Falle einer Hospitalisierung in Zeiten extremer Krisen ist von außerordentlicher Wichtigkeit und ist ein Ausdruck von Teilnahme und Interesse und wird vom Patienten oftmals als Interesse-Erhalten, als Gehalten-Werden erlebt. Es bewahrt den Patienten nicht nur davor, zwischen verschie-denen Therapeuten zerrissen zu werden, sondern es wächst das Gefühl des Vertrauens, der Zuversicht, daß seine Konflikte, seine innere monströse Welt ertragen und in Schach gehalten werden kann und die therapeutische Gruppe nicht zerstören wird, als ein paralleler Prozeß dazu wird seine innere Welt in Schach gehalten, Grenzen werden gesetzt und die destruktiven Kräfte gezügelt.

Ein Grenz-Membran wächst als Abgrenzung gegen die Außenwelt, die als überwältigend und fragmentiert erlebt wurde und gegen die innere Welt der Person, die als bedrohlich erlebt wurde.

Gefühle, die innerhalb der Kleingruppe als zu aggressiv, gefährlich und nicht kontrollierbar zu sein scheinen, können durch die Sicherheit, die durch die Großgruppe und mehr noch durch die Lebens-Netzwerk-Gruppe gegeben wird, offengelegt und als überlebbar und nicht katastrophal erlebt werden.

Dies gilt nicht nur für die Patienten, auch die therapeutischen Mitarbeiter werden gestärkt, gehalten und getragen. Die Fähigkeit der Team-Mitarbeiter sich gegen die innere psychotische Welt abzugrenzen wächst in hohem Maße durch die Erfahrung, daß Konflikte und Gefühle nicht überschwemmend, verschlingend und vernichtend sind. Dies führt zu einer allgemeinen Fähigkeit, die Dynamik der Lebens-Netzwerk-Gruppe dahingehend positiv zu beeinflußen, daß sie den Patienten in seinen lebensbejahenden Anteilen unterstützt.

Michel:::::::::::::::::::::::::::

Der wachsende vertrauensvolle, kommunikative Nährboden der Lebens-Netz-werk-Gruppe hat eine haltende Funktion, die es dem Patienten ermöglicht ein schützendes Refugium zu finden, auch im Fall von schweren zwischenmensch-lichen Schwierigkeiten. Er dient nicht nur als schützender Behälter fragmentierter Persönlichkeitsanteile, sondern ebenso als Nabelschnur, die Sicherheit gibt, wobei der Patient die Kontrolle inne hat, weil er nicht nur von einer Person, einem Mitarbeiter abhängig ist und Nähe und Distanz gemäß seinen Bedürfnissen regulieren kann.

Ich denke da z.B. an einen 23 jährigen Patienten, der manisch-psychotisch reagiert. Seine Eltern wurden zu einem frühen Zeitpunkt geschieden und der Vater hatte eine leitende Position in der Stadtregierung. Er wurde in eine peinliche Situation gebracht, als er die Rechnungen seines Sohnes bezahlen mußte und zur selben Zeit mit seinem manischen Sohn konfrontiert war, der in sein Büro kam. Er hatte von uns erwartet, seinen Sohn sofort zu heilen und war tief frustriert als dieser begann, manisch zu reagieren. Er fuhr fort, eine völlig unrealistische Perspektive zu vertreten, daß sein Sohn sein Studium beenden könnte, Sozialarbeiter werden könnte – sein Sohn kaufte für 80 000 DM ein Piano und rannte nackt über den Bahnhof. Die Mutter hatte schon immer ihren Sohn angebetet in einer scheinbar sehr selbstsüchtigen Art, in gewisser Weise mußte er seinen Vater ersetzen. Gleichzeitig war sie überzeugt, daß ihr Sohn an einem unheilbaren genetischen Defekt leide, mit Ende 20 sterben würde und daß sie ihm das Leben nur so angenehm wie möglich machen müßte, was darin gipfelte, daß sie ihn von Zeit zu Zeit in ihrem Bett schlafen ließ – der Patient verleitete während einer Psychose erfolgreich unsere Praktikantin zu einer sexuellen Beziehung. Nach einem Jahr betreuten Wohnens wurde der Patient immer mehr zwischen den verschiedenen Autoritäten, mit denen er konfrontiert wurde, entzweigerissen – ähnlich wie zu Hause.

Stufenweise konnten wir erfolgreich Grenzen setzen: Für die Mutter, für die sexuell involvierte Studentin, die zu einer Art Co-Therapeutin wurde, indem sie eine intime Beziehung unterließ, gleichzeitig aber als ein frühes Warnsystem für manische Reaktionen diente, für den Vater, der eine vertrauensvolle Beziehung zu einem der Sozialarbeiter aufbaute. Wir begannen, Kontakt zu dem biologisch orientierten Psychiater der Klinik aufzunehmen, in die er in Krisenzeiten zurückgehen mußte, der unsere Zusammenarbeit zunehmend offen annahm, da der Patient oft-mals von dort fortlief und jegliche Absprachen brach. Das gemeinsame sich sorgen in seinem manischen Ausagieren brachte – ähnlich wie zu Hause – viele verschiedene Fraktionen zusammen: Mitpatienten, Psychiater, Sozialarbeiter, Eltern, seinen Einzelpsychotherapeuten etc. Zuletzt hatten wir Erfolg, den Patienten und die Eltern zu motivieren, daß er im beschützten Arbeiten arbeitet, wo ein naher und offener Austausch mit dem Meister möglich ist. In dieser Dynamik der großen Netzgruppe konnte der Patient die verschiedenen Mitglieder dieses Systems nutzen, indem sie als Teil-Objekte dienten, auf die er Teile und Gefühle projizierte, ohne allerdings wirklich schon eine Beziehung zu ihnen aufzunehmen. Stufenweise wurden all seine fragmentierten Teile auf die Mitglieder der großen Netzgruppe verstreut und alle Aspekte konnten innerhalb dieses Containers lebendig sein. Im Verlauf von 2,5 Jahren wurde es möglich, die Grenzen dieser großen Netzgruppe zu schließen und die extremen Gefühle des Patienten zu tragen.

Das Zerreißen einer konstruktiven Kommunikation ist das wertvollste diagnosti-sche Element für psychotische Dynamik bei der Arbeit. Die Wiederherstellung ei-nes offenen Kommunikationsflusses reintegriert die Energie des Patienten und seine Ich-Grenzen innerhalb der gesetzten Grenzen. Wenn wir auf diese Weise mit der bedrohlichen inneren Welt des Patienten umgehen können, wird er ein Wachsen von Sicherheit erfahren, was auch für die Mitarbeiter gilt. Meiner Vor-stellung nach ähnelt dies dem archaischen Vertrauen des Babys gegenüber der sicher haltenden Mutter, die durch die bloße Existenz und Präsenz des Babys „gefesselt ´´ ist, was andererseits dem Gefühl eines gesunden, stabilen und

kompletten Selbst Geburt gibt.

Der Patient wird den therapeutischen Mitarbeitern und seinen Mitpatienten der großen Netzgruppe eine Rolle zuteilen, die mit der unbewußt reproduzierten innerpsychischen Welt korrespondiert. Meiner Beobachtung nach wagt der Patient es innerhalb der Lebens-Netzwerk-Gruppe, die verborgendsten, destruktivsten und vernichtendstenen Objektbeziehungen und Teil-Objektbeziehungen zu reproduzieren. Dies ermöglicht der Lebens-Netzwerk-Gruppe eine sehr wirksame therapeutische Gemeinschaft zu werden, wenn mit der Analyse der jeweiligen individuellen und Gruppen-Gegenübertragungen ge-arbeitet wird.

Eine Patientin, die früher bereits einige Male hospitalisiert worden war, reagierte während ihres Lebens im betreuten Wohnen und einer gleichzeitigen Gruppentherapie psychotisch. Sie war mit einer sehr negativen, aufdringlichen, dicken Mutter aufgewachsen, die immer versuchte jeden positiven Wunsch, Plan, Bedürfnis, Impuls von ihr zu zerstören. Sie erlebte jeden im Milieu des Betreuten Wohnen als Verfolger, feindlich, aggressiv und flüchtete auf die biolo-gisch orientierte Krankenhausstation, wo sie schon wegen vorheriger psychotischer Episoden gewesen war. Sie bekam Neuroleptika, bestand aber auf einer sehr geringen Dosis. Weil sie eine höhere strikt verweigerte, erzeugte sie den Ärger des Psychiaters über ihre Psychothera-pie, die seiner Meinung nach zu viel mehr Aufregung, Frustration und Gefühle für sie seien, als sie vertragen könnte.

In der Wohngemeinschaft hatte sie das Gefühl vergiftet und verfolgt zu werden, im Kranken-haus kämpfte sie nach drei Tagen der psychischen Reintegration engagiert für das Konzept des betreuten Wohnens als therapeutische Gemeinschaft innerhalb der Gemeinde und verteidigte ihren Gruppenanalytiker. Nach zwei Wochen schaffte sie es, entlassen zu werden, indem sie demonstrierte, daß sie dort weitermachen könnte, wo sie abgebrochen hatte. Heute, vier Jahre später, lebt sie mit ihrem Freund zusammen in einer eigenen Wohnung, arbeitet regelmäßig mit einem stabilen Einkommen und führt ihre Psychotherapie, die sie selber zahlt immer noch fort.

Ich bin zu der Auffassung gekommen, daß die Großgruppe eine integrierende und haltende Kraft hat, die die einer Kleingruppe entscheidend übersteigt.

Graph 8

Durch die Großgruppe:

– wird ein Bewußsein von In-Beziehung-Stehen erzeugt, gegenseitige Abhäng-

igkeiten können wahrgenommen werden und aushaltbar werden .

– Die Furcht man – selbst zu sein, Neid darüber, daß andere sich selbst sein

können und die Furcht vor Neid werden erlebbar. Im günstigsten Fall kann

dies auch ausgehalten werden und die Aggressionen, die damit einhergehen,

werden nicht länger als vernichtend erlebt. Maslow bezeichnet diese Dyna-

mik als Jonas – Komplex.

– ein konstruktives Spalten kann auftreten, das vielen Patienten ermöglicht, das

therapeutische Setting zu überleben.

– Verfolgungsängste von einer sehr grundlegenden und generalisierten Art

können in den Raum projiziert werden, der innerhalb der Großgruppe

entsteht, die dann als bedrohlich erlebt wird und die Kleingruppe kann nun

wiederum eine sichere Zufluchtsstätte von der Großgruppe werden.

– die Befreiung von der neurotischen Familiendynamik innerhalb der

Kleingruppendynamik wird ermöglicht, in der Konflikte wieder und wieder

reinszeniert werden, aber keine Lösung gefunden werden konnte.

– die Mitarbeiter müssen nicht länger als übermächtig erlebt werden und

Uneinigkeiten zwischen den Mitarbeitern dienen als Stimulation für

Individuation. Unserer Erfahrung nach, wächst sogar eine erhebliche

diagnostische Fähigkeit der Patienten der Großgruppe betreffend der

Mitarbeiter.

– Die Patienten und Mitarbeiter der Großgruppe und Lebens-Netzwerk-

Gruppe wachsen, indem sie sich selbst als fähig erleben, aktiv teilzunehmen

und den Gruppenprozeß mit bedeutungsvollen Themen und Beiträgen zu

beeinflussen.

Ein anderer sehr wichtiger heilender Faktor, den ich beobachtet habe, ist die

Erzeugung von Sozialenergie. Dies führt zu einem generell höheren psychischen Tonus der verschiedenen Untergruppen und des einzelnen Patienten. Dem Patienten und der Wohngruppe zu helfen, depressive Lähmungen hinter sich zu lassen, ist eine Vorbedingung, damit Veränderung überhaupt auftreten kann.

Mit sozialer Energie meine ich nicht die narzistische Gratifikation des Lobens des Patienten für diesen Charakterzug oder jene Großtat, sondern das Anerkennen des Patienten in seinem eigenen Recht, die Art wie er in der Tiefe seines Herzens ist und ihm dieses Verständnis zu vermitteln. Daraus resultiert die Energie, die notwendig ist, um das Risiko von Veränderung auf sich zu nehmen.

Leiten der Großgruppe

Als wir die Großgruppe vor vier Jahren begannen, war ich von vielen unangeneh-men Gefühlen überwältigt, so daß ich mich zu dieser Zeit nur am Stuhl festhalten konnte, in der tiefen Überzeugung, daß es richtig war, hier zu sitzen, um im weiteren Prozeß meine eigene Ambivalenz durchzuarbeiten, wie Prof.Benedetti (1995) dies für die Psychotherapie von Schizophrenie beschrieben hat.

Am Anfang deligierten Patienten und Mitarbeiter die Verantwortung für den Großgruppenprozesse an den Leiter, sie fühlten sich entleert und haßten das Großgruppensetting. Sie lehnten mich vehement ab, da ich ihnen die Zeit stehle, die Kleingruppen durchführen, in denen doch viel mehr Nähe hergestellt werden könne. Anfangs wurde die Großgruppe neben und nicht anstelle der wöchent-lichen gruppendynamischen Kleingruppen durchgeführt, als ein Ausdruck der Ambivalenz ihres Wertes.

Ich fühlte mich von dem Ausmaß der Existenzängste einiger Mitarbeiter über-rascht, bis ich realisierte, daß es eine erhebliche narzistische Herausforderung bedeutet, Mitglied einer Großgruppe, bzw. einer Lebens-Netzwerk-Gruppe zu sein. Die Illusion, daß vor allem eine intime dyadische Beziehung, welche auch noch in einer Gruppentherapie aufrecht erhalten werden kann, der Hauptgrund für die Entwicklung des Patienten sei, kann nicht länger aufrechterhalten werden. Gelegentlich werden die Teammitglieder von Gefühlen überflutet ein Spielball der Kräfte der Großgruppe zu sein. Der therapeutisch Arbeitende ist unweigerlich mit der Tatsache konfrontiert, daß Entwicklung das Ergebnis von einem Netzwerk von Beziehungen ist. Der Patient ist nicht von der Gnade eines Therapeuten abhängig, aber der Therapeut von der des Netzwerkes. Dies erinnert an den Galileischen Paradigmawechsel bezüglich des Mittelpunktes des Sonnensystems.

Der Leiter einer Großgruppe und der Leiter einer Lebens-Netzwerk-Gruppe noch mehr, sollte sich v.a. bewußt sein, daß auch die Identität der therapeutischen Mit-glieder in Gefahr ist.

Die Mitarbeiter – besonders in der Anfangs und unstrukturierten Phasen – neigen dazu, in paranoide oder autistische Positionen zu regredieren. Ich erinnere mich an ein extremes Beispiel als ein ansonsten gut qualifiziertes Team-Mitglied sich Zeitung lesend in die Großgruppe setzte, obwohl die Gruppe schon lange zu Gange war.

Es ist eine große Hilfe, sich bewußt zu machen, daß dies nicht ein Mangel an Ausbildung oder Ausdruck schlechter Manieren ist, sondern ein regressiver Abwehrmechanismus, der typisch für Großgruppenprozesse ist.

Um so wichtiger ist es als Leiter, den einzelnen Mitgliedern mit Respekt und Würde zu begegnen. Interessanter Weise erscheint die Netzwerk-Gruppe öfters als gruppendynamisch leiterlose Gruppe, als man gemeinhin annimmt.

Kernberg (1993) hat in seinem bereits erwähnten Artkel über projektive Identifikation ein gutes Beispiel über ein psychiatrisches Krankenhaus als einer leiterlose Netzwerk-Gruppe gegeben.

Das therapeutische Team einer Lebens-Netzwerk-Gruppe, das Führungsaufgaben übernehmen will, sollte sich bewußt sein, daß Abwehrmechanismen am Werk sind, die den Zweck haben, die durch die Großgruppe geweckten Ängste zu neutralisieren werden. Er sollte sich bewußt sein, daß er und das therapeutische Team auch Teil des Systems sind und somit den selben Einflüssen ausgesetzt sind. Es ist meine Erfahrung, daß die Mitglieder einer Großgruppe, bzw. einer Lebens-Netzwerk-Gruppe, die sich selber von dieser Mitgliedschaft nicht als existentiell abhängig empfinden die Kraft entwickeln können, Einfluß auf das Gruppengeschehen auszuüben, der den signifikanten Unterschied machen kann, ob in der Großgruppe eine verfolgende oder eine haltende, wachstumsfördernde Athmosphäre vorherrscht.

Nach meinen Erfahrungen kann der Leiter der Großgruppe und der großen Netzwerkgruppe bewußt auf zwei Dimensionen regulierend intervenieren, um das Ausmaß der aufkommenden Ängste zu regulieren:

1) Fütterung versus Deprivation: (Foulkes versus Bion). Das heißt, daß er ent-weder Geschichten erzählen kann, die sich auf das Gruppenleben beziehen, einige seiner Interessen mitteilt, wie z.B.über seine Teilnahme an einer Konferenz über das Arbeiten mit therapeutischen Gemeinschaften erzählt, mit anderen Worten, die Gruppe gewissermaßen stillt, indem er seine Erfahrungen und Persönlich-keit mit der Gruppe teilt oder auf der anderen Seite, strikte Neutralität im analy-tischen Sinne zu wahren und damit der Gruppe Nahrung vorenthält.

2) Strukturiertheit versus Unstrukturiertheit. Damit meine ich, daß der Leiter die Gruppe völlig sich selbst überlassen kann oder Strukturen geben kann, indem er die Kommunikation reguliert, indem er Fragen stellt, bestimmte Themen aufbringt oder, indem er gut strukturierte Untergruppen bildet, die als ein Zufluchtsort vor der Großgruppe dienen können.

Es hängt natürlich vom Entwicklungsstand der Gruppe ab, welchen Einfluß seine Intervention haben wird. Ob sie die bedroh-lichen Aspekte des Gruppensettings und die Mechanismen der Projektion und projektiven Identifikation verstärken werden oder ob sie dem Ausdruck von tiefen Gefühlen und dem Prozeß, daß die Teilnehmer zueinander autonome Beziehung-en aufnehmen behindert. Dies bedarf einer sorgfältigen ständigen Analyse, wobei die Gegenübertragung der momentan erlebten Angst ein wichtiges und verläßli-ches Kriterium ist.

Die Zusammensetzung der Großgruppe ist ein anderer wichtiger Punkt. Es muß grundsätzlich die Einstellung geteilt werden an die Möglichkeit der psychothera-peutischen Therapie von Psychosen und Schizophrenie, ebenso wie der Wille, Wissen über die Grundlagen der psychodynamischen Abwehrmechanismen in der Arbeit mit Borderline-Störungen zu erlangen.

Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Umgang mit und dem Leiten von Groß-gruppen und Lebens-Netzwerk-Gruppen ist meinem Verständnis nach unsere Gefühle der Gegen-Übertragung. Verfolgungs- und Vernichtungsängste sind vorherrschend. Kommunikation wird oft als Verrat erlebt. Ich erinnere mich gut, daß ich, als ich anfing die tragende, haltende Kultur der Lebens-Netzwerk-Gruppe aufzubauen, wie ein Verräter behandelt wurde, der, bei dem Versuch eine Kommunikation mit den anderen Mitgliedern der Lebens-Netzwerk-Gruppe herzustellen wie ein Verräter behandelt wurde, der die Intimsphäre verletzt. Es konnten sofort Prozesse von Spaltung in der Lebens-Netzwerk-Gruppe sichtbar werden, Prozesse der projektiven Identifikation wurden leicht ausgelöst und konnten in fast reiner Form beobachtet werden.

In einer Diskussion darüber, was das Herzstück eines erfolgreichen Leitens eines Großgruppensystems sei, kamen wir zu der Entscheidung, daß ähnliche Prozesse auftreten, wie sie in der Einzelbehandlung von schizophren-reagierenden Men-schen diskutiert werden. Der Leiter wird alle möglichen Arten von äußerst unan-genehmen Projektionen, fragmentierten, unzusammenhängenden, widersprüchli-chen Persönlichkeitsteilen und widerstreitenden Gefühlen absorbieren. Wenn er in der Lage ist, diese zu bewahren, auszuhalten und zu „verdauen“, dann wird er in der Lage sein, den anderen Mitgliedern der Lebens-Netzwerk-Gruppe auf eine neue, auf Abstand bedachte und doch engagiertere Art zu begegnen .

Die Leitung der Lebensnetzwerkgruppe stellt eher ein Übernehmen von Führung dar, im Sinne von Dialogfähigkeit herstellen und vertreten, im Sinne von Gefühle erspühren und ihnen standhalten und im Sinne eines Verletzungen ertragens und aushaltens, Gefühle von Vernichtung, tötlicher Leere.

Ich denke hier an die Kinderpsychoanalytikerin, die mit Freude den Stuhl ihres kleinen Patienten entgegennahm, das Stück Scheiße was sein Geschenk an sie darstellt. Nur eine tiefes Verständnis der Psychodynamik des Patienten kann vielleicht diese Qualität von Liebe und Güte entstehen lassen.

Kultur, Methode und Angst

Kultureller Hintergrund der Gruppenangst in Deutschland sind natürlich die traumatischen, widersprüchlichen Erfahrung mit Gruppen, Großgruppen und Massen während der Zeit der Naziherrschaft.

Wobei das Wesentliche einer traumatischen Erfahrung ist, daß das traumatische Ereignis an sich in der Regel sehr wohl erinnerbar ist, daß die damit einhergegangenen Gefühle aber einen unerträglichen Konflikt heraufbeschworen haben, welcher Abwehrmechanismen der Verdrängung, der Spaltung, der Verleugnung, der Ich-Einengung, der Identifikation mit dem Angreifer u.a. aktiviert haben. So ist die Verschmelzung in der Masse, die Delegation des Über-Ichs an den Führer, aber auch warme, Geborgenheit vermittelnde Gefühle in Jugendgruppen der HJ in konflikthaften Widerspruch zu der Scham und den Schuldgefühlen, welche durch die menschenvernichtenden und verachtenden Gewalttaten an jüdischen Mitbür-gern und anderen Minoritäten, nicht zuletzt auch psychisch Kranken erfolgten als Folge einer Verantwortung abgegeben habenden Masse.

Aktualisiert wird dieser Konflikt, noch heute jederzeit weltweit studierbar, bei der Teilnahme deutscher Bürger an Massenveranstaltungen, wie im Lido etc. wo Scham und Schuldgefühle verhindern in einen regressiven Zustand von Ver-schmelzung lustvoll einzutauchen.

Zu diesem Themenkreis gehören auch Ängste vor einem Paradigmawechsel beim Therapeuten, bei Sozialarbeitern als auch den betroffenen Institutionen. Ich habe dies in einem anderen Vortrag zur Diskussion gestellt und möchte heute darauf nicht näher eingehen.

Joachim Galuska, Direktor der Fachklinik Heiligenfeld hat in seinem Vortrag, Heilen von Psychosen im transpersonalen Verständnis die absolute Ver-stehensgrenze, noch von Jaspers Anfang des Jahrhunderts aufgestellt, analisiert, als geboren aus der Angst des Untersuchers vor der Zerrüttung des eigenen Be-wußtseins.

Das Gefühl von Unheimlichkeit, angstvoller Unruhe oder Bodenlosigkeit, das sich im Therapeuten gelegentlich ausbreitet ist mit Bewußtseins-prozessen psychotischer Menschen unzertrennbar verbunden. Eine unsere Aufgabe ist zu verstehen unter welchen Bedingungen diese Gefühle ertragen, erlebt und überlebt werden können.

Abschließende Erkenntnisse

Dieser Beitrag ist der Versuch eine Anregung zu geben über Prozesse, welche in großen Gruppen und Systemen ablaufen und von denen wir entweder therapeu-tisch Gebrauch machen können, oder welche, wenn wir sie vernachlässigen zu beachten, eine destruktive Dynamik entfalten im Sinne von Vulkans Diskussion, daß unter bestimmten Bedingungen in einer Gruppe das Bedürfnisses nach Fein-den übermächtig wird und die selben zerstörerischen, lebensverbietenden oder auch stagnierenden Prozesse ablaufen wie sie teilweise im Seelenleben der Pa-tienten ablaufen.

Unsere therapeutische Aufgabe ist es, das Wachsen dieser lebensbefähigenden, Wachstum fördernden zwischenmenschlichen Matrix, die wir Lebens-Netzwerk-Gruppe nennen, zu erleichtern, um einen zwischenmenschlichen Raum zu eröf-fnen, in dem es möglich ist psychische Schmerzen zu fühlen und hinter sich zu lassen. Der herrschenden Zeitgeist der 90 Jahre scheint mir von Spaltung und Fragmentierung geprägt zu sein. Managed Care, wie wir es in den USA in seiner entseelenden Form bereits seit einigen Jahren studieren können greift um sich. Managing managed Care, eine neue Gegenbewegung um den Psychoanalytiker Leon Wurmser und Senator Ted Kennedy versucht der Bedeutsamkeit von trag-fähigen Beziehungen und Kontinuität in der psychotherapeutisch-psychi-atrischen Arbeit einen wichtigeren Stellenwert zu geben. Auch der integrative und umfas-sende Ansatz des Betreuten Wohnens als therapeutische Gemeinschaft in der Gemeinde versucht dies.

In seinem Aufsatz über das Unaussprechliche erinnert Peter van der Linden uns, daß der Psychiater, und ich füge hinzu der Psychotherapeut und das gesamte therapeutische Personal, eine Distanz aufrechthalten wollen zwischen sich selbst und der emotionalen Verwirrung, Irritation und Furcht, die psychiatrische Patienten unvermeidlich in uns erwecken, sobald wir beginnen, die Tiefen ihrer persönlichen Geschichte und Ursachen auszuloten. Er stellt die Idee zur Diskus-sion, daß Psychotherapie durch Wieder-in Szene-Setzen in der Großgruppe in ei-nem großen evolutionären kulturellen Kontext gesehen werden sollte:

Wenn Leonardo da Vinci schrieb: Die Natur ist voll von unzähligen Ursachen, die niemals den Bereich unserer Erfahrung betreten, dann ist die therapeutische Ar-beit mit der Großgruppe und der Lebens-Netzwerk-Gruppe, wie oben definiert, die Bemühung unser therapeutisches Verständnis auszuweiten und jenseits der bekannten Grenzen auf unbekanntem Territorium zu arbeiten.

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